Rezensionen und Interview zu:

HORST PETRI:

Das Drama der Vaterentbehrung.
Chaos der Gefühle – Kräfte der Heilung.

Herder-Spektrum-Verlag, Freiburg Basel Wien 1999.
223 S., 36 Mark.

 

Horst Petri, Das Drame der Vaterentbehrung, 1999

  Nicht alles über unsere Mütter 
    Der Psychoanalytiker Horst Petri fordert Schluss mit dem Drama der Vaterentbehrung

    Die Frauenbewegung hat mit der Abwesenheit der Väter Schluss gemacht. Dann aber hat sie die Väter selbst verunglimpft, zur Verfügungsmasse (Samen- und Geldabgabe) reduziert und einer ganzen Frauen- und Männergeneration die Idee der Vaterunzulänglichkeit eingeimpft – und eine massenhafte Vaterlosigkeit herbeigeführt: 80 Prozent der Scheidungen werden von Frauen eingereicht! 1,8 Millionen Tote kostete der Erste Weltkrieg und der Zweite 5,25 Millionen, Soldaten im „besten Mannesalter“, die Millionen von vaterlosen Kindern hinterließen . . . Nun ist eine dritte Generation von Vaterentbehrung gekennzeichnet.

    Es ist eine Tatsache, "dass es eine vaterlose Nachkriegsgeneration war, die der traditionellen Familie ideologisch und faktisch den ,Krieg erklärte‘ und damit wiederum eine Kindergeneration gezeugt hat, von der große Teile ihre Väter durch den Krieg der Geschlechter verloren haben. Diese vaterverlassenen Kinder von Vätern ohne Vater stellen die heutige junge Vatergeneration“ ( und Müttergeneration!) dar. Und sind Produkte einer kollektiven Abwertung des väterlichen Prinzips.

    Horst Petri, ein einfühlsamer und erfahrungsreicher Psychoanalytiker, konstatiert ganz sachlich: Ein Vaterverlust (durch Tod, künstliche Zeugung und so weiter) und eine Vaterentbehrung bedeuten immer ein Trauma. Die Folgen lassen sich massenhaft erkennen in der Traumaverarbeitung bei beiden Geschlechtern – bezogen auf den Umgang mit dem Partner und den Kindern: psychische Ertaubung, Gefühlskälte, Abstumpfung, eingefrorene Trauer und Bindungsverlust. Eine kollektive Form der Abwehr (nämlich die Verkehrung des Verdrängten und Vermissten in eine Ideologie der Ausgrenzung) betrieb die Frauenbewegung, die die Vaterlosigkeit einfach als Ideal deklarierte und die Mutter als alleinseligmachende Erziehungsinstanz verklärte.

    Doch was passiert, wenn eine Frau ihr Kind allein großzieht? Diese Mütter, die freiwillig oder unfreiwillig auf die Unterstützung eines Mannes verzichten, müssen ständig aufs neue die Verletzungen, Trauer und Wut der Kinder ob der Vaterentbehrung aushalten und sich mit dem eigenen Scheitern, der eigenen Hilflosigkeit und Ohnmacht auseinandersetzen – was nicht selten in Ängste, Depressionen und Verzweiflung umschlägt. Es kann zu einer Gefühlsabwehr und Gleichgültigkeit gegenüber dem Kind kommen. Der Selbst- und Männerhass wird auf das Kind projiziert, auch wird es von den eigenen psychischen Problemen überflutet und als Bündnispartner missbraucht. Mädchen erfahren eine zu starke Mutterfixierung, die ihnen später eine heterosexuelle Beziehung erschweren wird, und Jungen werden als Partnerersatz missbraucht, was ab der Pubertät zu starken Hassgefühlen gegenüber der Mutter führt. Auch werden Jungen mit dem „bösen Männlichen“ identifiziert oder als Sündenböcke für das eigene Scheitern verantwortlich gemacht oder zum Lebensersatz gebraucht – als narzisstische Verlängerung des eigenen leeren Selbst.

    Aufgrund dieser höchst problematischen Mutter-Kind-Konstellation reagieren, das ist seit langem bekannt, vaterverlassene Jungen mit Donjuanismus – der Abwehr von bodenloser Einsamkeit durch immer neue, flüchtige Liebesabenteuer. Vaterverlassene Frauen neigen eher zu psychosomatischen Erkrankungen (Essstörungen, Magen-Darm-Erkrankungen, Krebs) sowie zu heftigen, sich nur schwer auflösenden Hassgefühlen der eigenen Mutter gegenüber. Bei beiden Geschlechtern kommt es zudem zur Blockierung der psychosexuellen Entwicklung, der Intelligenz sowie der Entwicklung von Gewissen und Moral.

    Aus Amerika, wo der Zustand von Vaterentbehrung viel krasser als bei uns mit bitterer Armut verknüpft ist, kommen folgende Horrorzahlen: 63 Prozent der jugendlichen Selbstmörder, 71 Prozent der schwangeren Teenager, 90 Prozent der Ausreißer, 85 Prozent der Jungkriminellen und 75 Prozent der Drogenabhängigen kommen aus vaterlosen Familien – das zeigt, dass die Alleinerziehung von Kindern gescheitert ist. Wobei, das betont der Psychoanalytiker Horst Petri immer wieder, das Trauma der Vaterentbehrung natürlich gemildert werden kann durch kluge Mütter, durch liebevolle Stiefväter und männliche Ersatzväter. Doch die Wunde dieser zutiefsten Kränkung bleibt, solange sie nicht therapeutisch bearbeitet wird – oder kreativ, wie viele „vaterlose“ Wissenschaftler, Schriftsteller und Künstler uns zeigen.

    Horst Petri belegt die Vaterentbehrung mit vielen Fallbeispielen. Er fordert, dass die kollektive Vaterentbehrung nicht weiter ins Unbewusste abgedrängt wird, sondern als Katastrophe für jeden Einzelnen und für den Frieden, aber auch für den Wohlstand in unserer Gesellschaft erkenntlich gemacht wird: Erinnern, wiederholen, durcharbeiten! Das war Freuds Forderung zur Aufdeckung psychischer Traumen. Außerdem möchte Petri, nach der jahrtausendelangen Unterdrückung der Frauen und dem Ausschlagen des Pendels in Richtung Männerabwehr, zu einer „Geschlechterdemokratie“ kommen. In der, als erstes, beide Partner ihre jeweilige Ohnmacht anerkennen. Die Ohnmachtsgefühle der Mütter, die zwischen Kind, Arbeit und Haushalt die Selbstzweifel als Demütigung erfährt. Und die Ohnmacht des Vaters, der sich „gesellschaftlich einem anonymen Machtapparat männlich geprägter Herrschaftsansprüche ausgeliefert fühlt, gegen die jeder Widerstand zwecklos ist, so teilchenhaft, wie er sich erlebt .  .  . nicht nur wegen seiner gesellschaftlichen Entfremdung, sondern im gleichen Maße aus dem Verlust an Autorität, Kompetenz und Zuständigkeit in der Familie bezüglich seiner ursprünglichen Funktionen als Beschützer und Ernährer.“

    Deshalb die Forderung, dass die Frauen einen Teil ihrer (auch höchst neurotischen) Macht über die Kinder abgeben und die Männer einen Teil ihrer gesellschaftlichen Macht. Dass sie beide ihre Verschiedenheit respektieren und solidarisch die Herrschaftsstrukturen abzubauen suchen. Zu Gunsten der nächsten Generation und ihrer eigenen Kinder, die lebensnotwendigerweise Väter und Mütter brauchen!

    ASTRID  VON  FRIESEN


    Basler Zeitung, 19.11.99

    Vaterlosigkeit, Vaterverlust, Vaterabwesenheit

    Von Tilmann Moser *

    Zu Horst Petris Buch über «Das Drama der Vaterentbehrung»

    In einem anrührenden persönlichen Nachwort zu seinem neuen Buch schreibt der Berliner Kinderpsychiater und Psychoanalytiker Horst Petri über einen jahrzehntelang währenden blinden Fleck in seiner eigenen Biographie: sein Vater war, von kurzen Urlauben abgesehen, sechs Jahre abwesend durch Krieg. In wichtigen Büchern über die «vaterlose Gesellschaft» fand Petri die seelischen Auswirkungen von Millionen Kriegstoten im Ersten und Zweiten Weltkrieg kaum erwähnt. Erst in den früh einsetzenden Forschungen über die Auswirkungen der Judenverfolgung wurden die schrecklichen Dimensionen des Themas allmählich bewusst.

    Insofern könnte man die Folgen der Vaterentbehrung, die Petri auch als ein gesellschaftliches Drama versteht, für ein deutsches Problem halten. Aber das ist nicht so: Er untersucht auch die Folgen von Abwesenheit und Trennung durch das Zerbrechen von Familien, durch Scheidung und «Desertion» der Väter. Sigmund Freud und Erich Fromm zentrierten ihre Forschungen mehr auf innerseelische Vorgänge, bei denen das Kind als der Feind des Vaters erschien, und nicht auf die Auswirkungen realer Traumata. Eher wurde Ödipus als der Schuldige angesehen als seine Eltern, die ihn schwer verletzten und zur möglichen Vernichtung aussetzten.

    Was heisst nun Vaterlosigkeit? Sie bedeutet, dass ein Kind seinen Vater nie bewusst kennengelernt hat. Aber ob und wie sehr es darunter leidet, hängt von der Weitergabe des Vaterbildes durch die Mutter ab. Zwischen Idealisierung und Entwertung sind viele Lösungen möglich. Und Vaterverlust? Petri untergliedert ihn nach den wichtigsten Etappen im Leben des Kindes, in denen der Verlust eintritt. In vielen Fällen ist das Trauma so gross, dass es verdrängt werden muss. Der Therapeut hilft dann dem geschwächten Ich erst, die Trauer zu ertragen, die von dem Patienten als vernichtend gefürchtet wird. Petris Beispiele zu den verschiedensten Konstellationen sind ergreifend, auch seine Analyse von Künstlern, die es teilweise vermocht haben, für ihre Vaterlosigkeit durch ihre Kreativität eine - wenn auch von Schmerzen durchzogene - Bewältigung zu finden. Und schliesslich Vaterabwesenheit? Bei ihr bleibt die Beziehung zum Vater, wenn auch fragil, erhalten. Die Hoffnung auf Rückkehr oder wenigstens Besuche mag realistisch sein, sie kann aber auch illusionär werden und wiederum zu Entwertung oder fast mythischer Überhöhung führen.

    Die alleinerziehenden Mütter, denen Petri ein einfühlsames Kapitel widmet, stehen in jedem Fall vor schwierigen Aufgaben. Die häufigsten Formen des Misslingens bringen die Anklammerung an die Kinder mit sich, die Ersatzpartnerschaft mit den Kindern, aber auch Verhärtung und Verbitterung. Was helfen kann, sind Verwandte, Freunde, Geschwister, und die von Petri hoch eingeschätzten «Ersatzväter», also bedeutsame Erwachsene, die zu Vorbildern werden, oder die auch taugen zur Anlehnung, zu «Inseln der Geborgenheit».

    Ohne das Wunder, dass Kinder sich aus eigener Kraft Hilfe suchen oder ihre verstörte Psyche regenerieren können, wäre das weit verbreitete Elend noch viel massiver. Petris Buch zeichnet sich nicht nur durch seine tiefenpsychologische Fundierung, sondern durch seine soziologische Orientierung aus, die die Veränderungen im öffentlichen Klima und im Gesetz mitberücksichtigt: gemeinsame Elternschaft auch bei Trennung und Scheidung. Er erwähnt die vielen Hilfen, die heute verfügbar sind, und er ist sich der Folgen von NS-Zeit und Krieg voll bewusst. Einziger Mangel könnte sein, dass die psychischen Folgen des Soldatseins der deutschen Väter, auch ihre Verstrickung in Verbrechen oder Mitläuferschaft, undiskutiert bleiben. Denn viele Väter zwangen ihre harten Maximen noch nach langen Jahren ihren Kindern auf. Diese Väter waren präsent, aber ohne einfühlsame Seele, gleichzeitig prügelnd und autoritär anwesend, und quasi verschollen auf der Ebene der partnerschaftlichen Nähe. Aber mindert nicht den Wert des Buches und seine spannende Lesbarkeit.

    * Tilmann Moser lebt als Psychotherapeut und Publizist in Freiburg i. Br.


ALLEIN GELASSEN?
Den Vaterverlust können
alleinerziehenden Mütter 
nicht kompensieren

Interview mit Horst Petri -
FOCUS Nr. 14, 3. April 2000, Seite 216/218

Vater ... verzweifelt vermisst
Kinder ohne männlichen Elternteil, so ein Psychoanalytiker,
sind lebenslang benachteiligt

HORST PETRI
  • Lehrstuhl
    Professor Dr. med. Petri unterrichtet an der FU Berlin Psychotherapie und Psychosomatik.
  • Autor und Psychagoge
    Der 64-jährige verfasste mehrere Werke zum Themenkreis Familie, u. a. "Geschwister - Liebe und Rivalität" und "Guter Vater, böser Vater".
  • Sein aktuelles Buch
    "Das Drama der Vaterentbehrung" erschien 1999 bei Herder.
  • FOCUS: Herr Petri, Sie beschäftigen sich in Ihrem neuen Buch mit dem Phänomen vaterloser Kinder. Zu welchem Ergebnis haben Ihre Untersuchungen geführt?

    Petri: Der Verlust des Vaters beeinträchtigt auf dramatische Weise die Entwicklung eines Kindes. Die tief greifenden seelischen Konsequenzen wurden in der Öffentlichkeit bisher weitgehend geleugnet. Dabei handelt es sich bei betroffenen Kindern oft um eine regelrecht traumatische Erfahrung, die für die gesamte Lebensspanne von der Kindheit bis ins späte Erwachsenenalter prägend ist.

    FOCUS: Wie ist dem beizukommen?

    Petri: Der Verlust eines wesentlichen Identität stiftenden Elternteils ist kaum wettzumachen. Fällt der Vater aus, bricht auch ein Stück der eigenen Identität weg. Das Kind muss sich völlig neu orientieren und durch eigene Kreativität oder mit Hilfe anderer die Verletzung verwinden.

    FOCUS: Die Behauptung von der Überflüssigkeit der väterlichen Präsenz ist ein provokanter Bestandteil feministischer Ideologie, der in den letzten 30 Jahren immer mehr an Popularität gewonnen hat. Ist damit nun Schluss?

    FRÜHES LEID Jungen, die den Vater entbehren müssen, werden oft sozial auffällig und leiden unter Bindungsängsten Petri: Leider nicht, doch halte ich diesen verkürzten Ansatz für ein fundamentales Missverständnis. Längst hat die Vaterforschung und Psychoanalyse bewiesen, dass der Vaterrolle bereits im ersten Lebensjahr des Kindes eine entscheidende Bedeutung zukommt:

    Als so genannter "Dritter" verhindert der Vater eine allzu enge Bindung zwischen Mutter und Kind und vermindert die Trennungsängste, wenn das Kind die notwendige Ablösung von der Mutter vollzieht. Das ist ein schmerzhafter Prozess und sehr problematisch, wenn Mutter und Kind auf sich gestellt sind. In einer späteren Entwicklungsphase, so um das vierte oder fünfte Lebensjahr, wird der Vater zu einem wesentlichen Identifikationsobjekt, das das Kind an die Außenwelt heranführt. In der Pubertät und Adoleszenz schließlich stellt der Vater die Weichen für den Eintritt des Nachwuchses in die Gesellschaft.

    FOCUS: Die Abwesenheit des Vaters kann verschiedene Gründe haben, etwa Scheidung, Beruf oder der endgültige Verlust durch den Tod. Wie erleben Kinder diese Unterschiede?

    "Wir müssen zu
    einem neuen Emanzipationsbündnis zwischen Muttern und Vätern gelangen"

    HORST PETRI PSYCHOANALYTIKER

    Petri: Väter, die berufsbedingt abwesend sind, auch solche, die zeitweise wochen- und monatelang unterwegs sind, werden dennoch als zur Familie zugehörig wahrgenommen, hn Bewusstsein und Erleben der Kinder bleibt die Kontinuität der Beziehung gewahrt. Wenn der Vater aus der Familie aber ausscheidet, weil die Frau oder er selbst es so will, bricht das fundamentale Gerüst der Bindung zusammen. Kinder, die das erfahren mussten, haben auch später mit starken Bindungsängsten zu kämpfen. Wenn Mütter das Scheidungstrauma schlecht verarbeiten und den Vater verteufeln, eignet er sich nicht mehr als positive Identifikationsfigur. Das hat für den Aufbau der eigenen Persönlichkeit oft fatalere Folgen als ein verstorbener Vater, der beim Kind in der Erinnerung weiterlebt. HEFTIGER GEGENWIND,
    vor allem aus feministischer Richtung, umtost den Publizisten und Lehrstuhlinhaber Horst Petri
     FOCUS: Das neue Kindschaftsrecht mit der grundsätzlichen gemeinsamen Sorge trägt ja der Notwendigkeit von zwei Elternteilen Rechnung. Was aber, wenn die Mutter es unterläuft und den Vater mit dem Entzug des gemeinsamen Kindes bestraft? I

    Petri: Zwar ist das neue Recht ein Meilenstein, aber zu seiner Umsetzung bedarf es noch vieler Aufklärungsarbeit. Es muss zu einem neuen Verständnis dieser Problematik in der Öffentlichkeit kommen, auch zu einer besseren Verständigung zwischen den Geschlechtern. Denn das Dilemma vaterverlassener Kinder stellt mittlerweile auch eine Belastung für die gesamte Gesellschaft dar. Wir müssen zu einem neuen Emanzipationsbündnis von Müttern und Vätern im Sinne einer weiterentwickelten "Geschlechterdemokratie" gelangen. Lernen die Eltern die Verantwortung für ihre gemeinsam gezeugten Kinder begreifen, werden auch jenseits der traditionellen Familienordnung Wege zur Versöhnung und zum wechselseitigen Verständnis erkennbar. Wenn Frauen glauben, sie brauchten nur noch einen Samenspender, halte ich das für eine verheerende Konsequenz aus der Geschlechterpolarisierung.

    FOCUS: Vaterlose Jungen verhalten sich stärker sozial auffällig als Mädchen. Warum?

    Petri: Jungen benötigen für den Aufbau ihrer männlichen Identität den Vater. Dass sie stärker vom Vaterverlust betroffen sind, zeigt sich nicht nur im Leistungsbereich oder in Kriminalitätsstatistiken, sondern auch in der Art, wie sie ihrerseits Bindungen eingehen. Sie laufen Gefahr, später ihre eigenen Kinder allein zu lassen.

    FOCUS: Können Lebensabschnittspartner der Mütter den ursprünglichen Vater ersetzen?

    Petri: Wir wissen von Studien mit Kleinkindern, dass ein häufiger Wechsel von Beziehungspersonen zur Orientierungslosigkeit führen kann. Häufiges Verlassenwerden schürt nicht nur Ängste, sondern baut auch Schuldgefühle auf. Die Kinder glauben irrtümlich, dass es an ihnen läge, wenn sich der Partner abwendet. Das führt häufig dazu, dass sich Kinder selbst nicht liebenswert finden. Doch wer sich selbst nicht für liebenswert hält, ist unfähig, andere zu lieben. Deshalb tendieren solche Kinder im späteren Leben zu frühen Ehen, frühen Scheidungen und insgesamt zu ungefestigten Bindungen. Ein trauriger Teufelskreis! Nicht zuletzt deswegen setzt sich bei fortschrittlichen Kräften zur Überwindung des Geschlechterkampfs die Einsicht durch: Jedes Kind hat ein Recht auf beide Eltern.

    Interview: Christine Brinck


    Siehe von Petri auch: Vaterlose Gesellen Es wird höchste Zeit zu erkennen, welche Katastrophe für die Gesellschaft in der Vaterlosigkeit steckt - Die Welt 19.4.2000

    Horst Petri DER VERSCHWUNDENE VATER - Berliner Zeitung 11.11.2000

    "Daniel war vier Jahre alt, als er eines Nachts beim Spaziergang ins Schlafzimmer der Eltern das Bett neben der Mutter leer fand. Der Vater habe plötzlich verreisen müssen. Es wurde eine lange Reise. In der Therapie versuchte der inzwischen Siebzehnjährige, in mühselig kleinen Schritten das Drama des Vaterverlustes zu rekonstruieren. Sein Leiden an sich selbst, das Scheitern in der Schule, den Drogenkonsum, das Leben ohne Freunde, die panische Angst vor Mädchen und sein grundsätzliches Misstrauen Menschen und der Welt gegenüber konnte er sich zunächst nicht erklären. ..." Gesamter Artikel in der Berliner Zeitung 11.11.2000

     

    Dem Staat ist ziemlich egal, ob ein Kind einen Vater hat, der tatsächlich die Vaterrolle wahrnimmt. Die Staatsorgane nehmen ihr Wächteramt nur insofern wahr, als garantiert sein muss, dass jemand für das Kind zu arbeiten und Geld zur Verfügung zu stellen hat, damit der Staat nicht einspringen muss. Das führt inzwischen zwar wieder zu Situationen, wo Diskriminierung, Unrecht, Entrechtung und Verarmung wieder dazu führt, dass die Staatkasse einzuspringen hat - aber dieser Funktionalismus ist entweder zu kompliziert für Politiker oder er passt einfach nicht in die Stromlinie der aktuellen Familienpolitik.

    Die Suche nach jemanden, der zahlt, führt zu kuriosen Situationen:

    Wird eine verheiratete Frau durch einen Seitensprung schwanger, ist der mit ihr verheiratete Mann automatisch der Vater. Selbst wenn er erfährt, dass er nicht biologisch der Vater ist, aber seine Vaterschaft nicht aberkennen lässt, hat der tatsächliche Erzeuger keine Chance, sein Kind als seines anerkennen zu lassen. Der Schutz der Ehe ist höherwertig als das recht des Kindes auf seinen tatsächlichen Vater, bzw. das Recht des Vaters auf sein Kind.

    In Zusammenhang mit den heutigen Möglichkeiten der Reproduktionstechnik hat der Väternotruf (www.vaeternotruf.de) folgenden Beitrag publiziert:

    Der Vater ist meistens ein Mann oder auch nicht

     

    In Deutschland besteht die paradoxe Situation, dass ein Vater im rechtlichen Sinne nicht etwa der Mann ist, der das Kind gezeugt hat, sondern die Regelungen des BGB treffen folgende Definition:

    Bürgerliches Gesetzbuch

    § 1592 BGB

    Vater eines Kindes ist der Mann,

    1. der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist,
    2. der die Vaterschaft anerkannt hat oder
    3. dessen Vaterschaft nach § 1600d gerichtlich festgestellt ist.

    Immerhin, die Mutter, so stellt das Bürgerliche Gesetzbuch fest:

    § 1591 BGB (Mutterschaft)

    Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat.

    Wenn Männer und Frauen in der Bundesrepublik gleichgestellt wären, müsste § 1591 BGB nach dem Gleichheitsgrundsatz nach Artikel 3 Grundgesetz also formuliert werden:

    Mutter eines Kindes ist die Frau,1. die zum Zeitpunkt der Geburt mit dem Vater des Kindes verheiratet ist,2. die die Mutterschaft anerkannt hat oder 3. deren Mutterschaft nach § 1600d gerichtlich festgestellt ist.

    Oder man ändert § 1592 BGB um in das, was der Wahrheit entspricht. Vater eines Kindes ist der Mann, der es gezeugt hat.

    Nun ja, zugegeben, das will keiner der Verantwortlichen in der Bundesrepublik, so weit käme es noch, dass der Vater der Mann ist der das Kind gezeugt hat, da käme ja die ganze schöne BGB gewollte Ordnung durcheinander.

    Nun kommt noch folgendes hinzu. Das BGB formuliert:

    § 1600d (Gerichtliche Feststellung der Vaterschaft)

    (1) Besteht keine Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 und 2, § 1593, so ist die Vaterschaft gerichtlich festzustellen.

    (2)Im Verfahren auf gerichtliche Feststellung der Vaterschaft wird als Vater vermutet, wer der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt hat. Die Vermutung gilt nicht, wenn schwerwiegende Zweifel an der Vaterschaft bestehen.

    Dazu erhielten wir eine Anfrage einer interessierten Leserin: "Hallo, bin durch Zufall auf Ihre Website geraten, hoffe, Sie können mir eine Frage beantworten: Wie sind heutzutage die Begriffe um die Vaterschaft definiert (z. B. Unterschied biologischer / genetischer Vater)? Es gab nämlich in Kinderwunschkreisen, wo ich mich zur Zeit bewege, eine kleine Diskussion, ob ein Arzt, der eine Insemination vornimmt, als biologischer Vater zählt. Natürlich ist er nicht der genetische Vater, aber - Sie verstehen schon. Auf der Website einer Ärztezeitschrift habe ich nämlich etwas Entsprechendes gelesen, dass eine Frau dem Arzt, der sie einst inseminiert hatte, nach der Geburt des Kindes zur Vaterschaft gratulierte - der Ehemann war perplex, verständlich! Wir, ein paar Frauen aus einem Kinderwunschchat, haben uns gefragt, ob eine durchgeknallte Frau, die zur Zeit der Geburt evtl. von ihrem Mann wieder getrennt ist, versuchen könnte, den Arzt zum Vater zu machen, nur weil der eine Insemination vorgenommen hat... (Und was ist dann mit denen, die die sogenannten Retortenbabys zeugen??!?)"

    Wenn also kein Mann da ist, der als der Vater gilt, muss man annehmen, dass der Arzt der Vater ist, denn er hat ja der Mutter beigewohnt, zwar nicht mittels seines eigenen Genitals, aber Fakt ist, er ist es, der die Frau befruchtet hat. Er hat ihr also "beigewohnt", wie man so schön sagt. Nun kann man sich fragen, wenn der männliche Arzt der Vater des Kindes ist, wieso dann nicht auch die weibliche Ärztin die eine Insemination vornimmt. Dem Kind ist es schließlich egal durch wessen Tun es auf die Welt gekommen ist. Nach dem Gleichheitsgrundsatz von Artikel 3 des Grundgesetzes müsste daher § 1592 BGB verfassungswidrig sein. Verfassungskonform müsste es heißen:

    § 1592 BGB

    Vater eines Kindes ist der Mann oder die Frau,

    1. der/die zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist,
    2. der/die die Vaterschaft anerkannt hat oder
    3. dessen/deren Vaterschaft nach § 1600d gerichtlich festgestellt ist.

    So wird der Traum von Judith Butler nach der Dekonstruktion der Geschlechter endlich wahr. Mann ist Frau und Frau ist Mann, alles ist sozial konstruiert, Geschlecht ist eine Fiktion. Das hätte selbst Wladimir Iljitsch Lenin in seinen kühnsten Träumen vom Kommunismus nicht zu träumen gewagt. Aber Lenin hatte ja auch keine Kinder, vermutlich hat er geahnt, was die Väter des BGB dazu sagen würden.

     

    Also liebe Ärzte und Ärztinnen, gebt fein acht, wenn Ihr demnächst wieder unbedacht Frauen und möglicherweise auch Männer in Eurer Praxis schwängert. Die Jugendämter und Familienrichter sind unerbittlich bei der Feststellung der Vaterschaft und auf Verletzung der Unterhaltspflicht steht bekanntlich Knast.

     

     

     

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